Höhere Gewalt. Bescheinigungen der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation als Nachweis
Erdbeben, Überschwemmungen, Brände und andere Arten von höherer Gewalt, stellen seit jeher ein Risiko für die Wirtschaft dar. Dennoch schätzten die Unternehmer die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens in der Regel nicht als hoch ein, weshalb Klauseln über höhere Gewalt in Verträgen oft entweder fehlten oder so allgemein wie möglich gehalten wurden. In den letzten Jahren haben die Risiken höherer Gewalt jedoch erheblich zugenommen – so ist beispielsweise die Verhängung einer landesweiten Quarantäne kein Hirngespinst mehr, ebenso wenig wie das Eintreten anderer Umstände bzw. die Verhängung anderer Maßnahmen, die einen möglichst großen Personenkreis betreffen.
In unserer Praxis verwenden wir die Klausel für höhere Gewalt der Internationalen Handelskammer (ICC) mit einzigartigen Modifikationen, die wir auf der Grundlage unserer mehr als 15-jährigen Erfahrung im Außenhandel entwickelt haben und die für die Realitäten russischer Geschäfte sowie für Außenhandelsgeschäfte mit russischen Vertragspartnern erforderlich sind. Es gibt jedoch noch mehr als genug Fragen zu den Bestimmungen über Umstände höherer Gewalt. Eine davon ist, was das Eintreten solcher Umstände bestätigt und welche Rolle die Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation dabei spielt.
Die Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation bescheinigt das Vorliegen eines Falles höherer Gewalt und stellt eine entsprechende Bescheinigung oder ein Gutachten über dessen Vorliegen gemäß den Bestimmungen von
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Außenhandelsgeschäften und internationalen Verträgen der Russischen Föderation in Bezug auf Ereignisse, die auf dem Territorium der Russischen Föderation eingetreten sind;
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Verträgen, die im Rahmen der inländischen Wirtschaftstätigkeit abgeschlossen wurden.
Diese Bestimmungen stimmen weitgehend überein, z.B. in Bezug auf die Aufzählung der Umstände höherer Gewalt (Naturkatastrophen, Epidemien, Brände u.a.) sowie in Bezug auf die Aufzählung der Geschäftsrisiken, die keine Umstände höherer Gewalt darstellen (Nichterfüllung der Verpflichtungen seitens der Vertragspartner des Schuldners, Mangel an Waren auf dem Markt, die zur Erfüllung der Verpflichtungen erforderlich sind, Mangel an notwendigen Mitteln des Schuldners u.a.). Das Vorliegen von Umständen höherer Gewalt wird durch eine Bescheinigung über das Vorliegen höherer Gewalt (bei FEA-Geschäften) oder durch eine Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation bestätigt.
Verfahren
1. Vorbereitung des Antrags an die Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation.
1.1. Der Antragsteller (d.h. die Vertragspartei, die die Unmöglichkeit der Erfüllung geltend macht) reicht bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation einen Antrag ein. Das Formular sowie ein Muster des Antragsformulars sind auf der Website der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation verfügbar.
Der Antrag muss folgende Angaben enthalten:
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den Vertragsgegenstand;
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die durch höhere Gewalt verletzte Verpflichtung;
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die Dauer der verletzten Verpflichtung;
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den Eintritt des Umstandes, der nach Vertragsabschluss nicht vorhersehbar war, und den Nachweis für den Eintritt dieses Umstandes;
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Beschreibung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Umstand und der Unmöglichkeit, die Verpflichtung zu erfüllen;
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Verweis auf die im Vertrag enthaltene Klausel über höhere Gewalt usw.
1.2. Darüber hinaus sind Unterlagen vorzulegen, deren vollständige Auflistung in den von der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation erlassenen Vorschriften über höhere Gewalt enthalten ist (Vertrag mit Anlagen, aktueller Auszug aus dem Einheitlichen staatlichen Register juristischer Personen für den Antragsteller, Kopie der Satzung usw.). Die Dokumente und Informationen sind in Form von Kopien einzureichen, die vom alleinigen Exekutivorgan des Antragstellers (z.B. Geschäftsführer) oder einer von ihm auf der Grundlage einer Vollmacht bevollmächtigten Person beglaubigt sind.
Der Antragsteller sollte bei der Erstellung des Antrags und der beigefügten Unterlagen sehr sorgfältig vorgehen – das Fehlen der in den Vorschriften geforderten Angaben und/oder Unterlagen führt zu einer begründeten Ablehnung der Ausstellung des Zertifikats bzw. der Urkunde durch die Russische Industrie- und Handelskammer.
2. Antragstellung, Antragsprüfung und Entscheidung der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation.
2.1. Der Antrag kann sowohl schriftlich an die auf der Webseite der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation angegebene Adresse als auch über das UKEP des Leiters der Organisation/EI im elektronischen Schrank auf der Webseite der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation eingereicht werden.
2.2. Nach der Einreichung des Antrags mit allen erforderlichen Unterlagen und der Bestätigung der Zahlung der Anmeldegebühr in Höhe von 19.400 Rubel (aktueller Kurs im Februar 2025) prüft die Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation den Antrag innerhalb von 10 Werktagen (die Frist kann um weitere 10 Werktage verlängert werden), wobei die Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation zusätzliche Informationen/Dokumente anfordern kann.
2.3. Nach der Prüfung stellt die Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation entweder eine Bescheinigung über das Vorliegen höherer Gewalt aus oder lehnt die Ausstellung einer solchen Bescheinigung schriftlich unter Angabe der Gründe ab.
Es ist zu beachten, dass die Ausstellung einer Bescheinigung/eines Gutachtens nicht automatisch bedeutet, dass die Umstände höherer Gewalt vom Gericht als solche anerkannt werden – die Bescheinigung/das Gutachten unterliegt der Beurteilung durch das Gericht im Rahmen der Prüfung der spezifischen Umstände des Falles. Es ist jedoch anzumerken, dass ein solches Dokument an sich ein sehr starkes Argument für die Partei ist, die es vorlegt, und ihre Erfolgschancen erhöht.
Die Rechtsanwälte von MAGENTA Legal verfügen über umfangreiche Erfahrung in der Rechtsberatung über das Auftreten von höherer Gewalt und die Möglichkeit der Anwendung der Klausel über höhere Gewalt in bestimmten Situationen. MAGENTA Legal unterstützt ihre Mandanten bei der Vorbereitung von Anträgen und Einsprüchen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation sowie bei der weiteren Teilnahme an Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Nichterfüllung von Verpflichtungen aufgrund höherer Gewalt.
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